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Neujahrsseminar 2016

 

"Meins, Deins, Unser". Umgang mit Eigentum als Spiegel der Gesellschaft.
02.–05. Januar 2016 auf Burg Liebenzell

Link zu Einladung und Programm

"Dies ist der Schlüssel von Frank". Mit diesem lapidaren Satz begann ein Seminar, das viele unserer Grundüberzeugungen in Frage stellte. Wäre eine Gesellschaft ohne Eigentum eine bessere Gesellschaft? Würde ein bedingungsloses Grundeinkommen für mehr Gerechtigkeit sorgen, und was würde dieser radikale Schritt mit uns tun? Darf man die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Trinkwasser in private Hände geben? Führt der scheinbar ungebremste Flächenerwerb der Agrarindustrie zu mehr Hunger, statt zu weniger? Klaus Vielhaber hat dazu einen sehr lesenswerten Bericht geschrieben. Von den Verhandlungen über die Wasserversorgung in Liebenzell-Soweto berichtet unser Reporter Manfred Krüger. Fotos gemacht und als Galerie arrangiert hat Holm Sieber.

Eindrücke vom CAV-Neujahrsseminar 2016

von Klaus Vielhaber

Zur Burg Liebenzell fuhr ich voller Neugier auf die Themen Eigentum, Grundeinkommen und Landgrabbing. Unter den rund 30 Teilnehmern überwog die mittlere, aus der früheren CJD Studentenschaft hervorgegangene Generation. Erstmals waren auch einige Oberstufenschüler aus Christophorus-Gymnasien dabei, die sich bei einer vorangegangenen Abituriententagung dazu bereit erklärt hatten, zu Beginn ihres Studiums am Aufbau einer neuen CJD Studierendenschaft mitzuwirken. Wir wurden von der Studienleiterin der Tagungsstätte begrüßt und während des Seminars aufmerksam betreut und fachlich beraten. Schon beim Kennenlernen am ersten Abend zeigte sich, dass die Altersunterschiede kein Hindernis für den Meinungsaustausch oder den Spieltrieb darstellten. Herr Schreib, der Schulreferent des CJD, bemühte sich mit mäßigem Erfolg, mir das bayerische Kartenspiel Watten beizubringen.

Anderntags, bei der Diskussion in kleinen Gruppen über Besitz und Eigentum waren wir uns einig, dass die endlichen Ressourcen unserer Erde wie Grundstücke, Bodenschätze, Wasser und Luft eigentlich nicht das Eigentum von Privatpersonen oder einzelnen Staaten sein dürften – wohl wissend, dass die Wirklichkeit anders aussieht. Gescheiterte Versuche zur Abschaffung des Privatbesitzes und die eigene Erfahrung lehren uns, dass Eigentum (an reproduzierbaren Gütern) nicht nur zum persönlichen Wohlbefinden taugt, sondern auch zur Verantwortung gegenüber Umwelt und Mitmenschen verpflichtet.

Mit dem „bedingungslosen Grundeinkommen“ hat sich unser alter CAV-Freundeskreis Stuttgart-Heilbronn schon vor einigen Jahren beschäftigt. Das Thema tauchte aber in jüngerer Zeit kaum in den Medien auf, und so war ich dankbar für die Auffrischung meines Wissens durch den Vortrag von Herrn Acker. Für ein von Berufstätigkeit oder Bedürftigkeit unabhängiges Grundeinkommen sprechen aus meiner Sicht vor allem zwei Argumente: Es schafft einen Ausgleich für den zu erwartenden Wegfall weiterer Arbeitsplätze, und es vermeidet die aufwendige und teilweise entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung. Unseren Zweifeln an der Realisierbarkeit begegnete der Referent mit dem Vorschlag, das Grundeinkommen zunächst nur für die „guten Armen“, nämlich Kinder und alte Menschen, einzuführen; so werde es allmählich in die arbeitsfähigen Jahrgänge hineinwachsen. Zur Finanzierung gibt es verschiedene Vorschläge, die man unter www.grundeinkommen.de mit der Suche nach „Modelle“ finden kann. Unklar blieb, warum deutsche Politiker dieses Thema bislang nur sehr zögerlich behandeln.

Erholung bot dann der Kaminabend. Trotz Warnung vor Qualm wegen der Inversions-Wetterlage gelang es Grillkundigen, das Feuer in Gang zu setzen und den Raum rauchfrei zu halten. Als ich nach zwei, drei Stunden gemütlicher Plauderei und einem Schoppen Rotwein schlafen gehen wollte, wurde ich von den jungen Mitspielern des Vorabends noch zu einer Runde „Watten“ eingeladen. Das schmeichelt einem müden Opa.

Für das Thema „Wasser ist (k)eine Ware?!“ waren manche von uns schon durch die europäische Bürgerinitiative „Recht auf Wasser“ sensibilisiert. Obwohl fast 1,9 Millionen Bürger und eine Mehrheit der EU-Parlamentarier im Jahr 2015 eine Privatisierung der Wasserversorgung ablehnten, will die EU-Kommission die Entscheidung darüber bislang den Nationalstaaten überlassen. Frau Gandenberger schilderte uns die Probleme von Soweto in Südafrika, wo ein privates Unternehmen nicht eine vorhandene Wasserversorgung von der Kommune übernommen, sondern sie erstmalig aufgebaut hatte. Streit gab es, weil die armen Township-Bewohner ihr Wasser nur mit Prepaid-Karten an Gemeinschafts-Zapfstellen erhalten konnten und dafür auch noch dreimal so viel zahlen mussten wie die Einwohner bürgerlicher Stadtviertel mit Wasseranschluss und Zähler in jedem Haus. In einem Rollenspiel versetzten wir uns in die Lage der protestierenden Bürger, der Wasserversorgungsfirma, einer den Protest unterstützenden Nichtregierungsorganisation und der Stadtverwaltung, die in einer Sitzung mit allen Beteiligten nach einer Lösung suchte. Es hat richtig Spaß gemacht, in der jeweiligen Gruppe konstruktive Vorschläge zu erarbeiten oder die Argumente der anderen Seite zu zerpflücken. Die schauspielerisch Begabten unter uns liefen dabei zur Hochform auf, wenn es auch manchmal nur darum ging, den Gegner möglichst oft zu unterbrechen, wie wir es von Politikern bei Fernseh-Talkshows gewohnt sind.

Von „Landgrabbing“, dem Aufkauf großer Agrarflächen durch – meist ausländische – Investoren hatten wohl nur wenige Teilnehmer vorher gehört. Herr Gasthauer schilderte uns dieses seit 2008 zunehmende Phänomen mit einer Präsentation, wählte fünf betroffene Länder aus und entließ uns dann mit einem Stapel von Unterlagen zu jedem Land und der Aufgabe, darin Antworten auf vorbereitete Fragen zu suchen und sie reihum vorzutragen. Wir kamen uns vor wie Fachschüler in einer Klausur; nach dem Lesen der Texte blieb kaum Zeit für das Malen der Flipcharts. Dieser Teil hätte etwas besser gestaltet werden können.

Heimgefahren bin ich dankbar für zwei inhaltsreiche Tage und voller Neugier auf die Zukunft der CJD Studierendenschaft.

In Soweto brodelt es schon wieder!

von Manfred Krüger

Durch Unregelmäßigkeiten und Schäden in der Wasserversorgung hat der Druck im Wasserkessel einen kritischen Wert erreicht. Um den Protesten und Beschwerden zu begegnen und Antworten auf Probleme zu finden, hatte die Stadtverwaltung zu einer Besprechung am ‚Runden Tisch‘ eingeladen.

Als Sprecherin der Behörde begrüßte Frau Z. die Teilnehmer und forderte sie zu einem offenen Dialog auf. Sie bat zunächst nur um eine Darlegung der verschiedenen Standpunkte. Der Reihe nach trugen die Bürgervertreter-Innen von Soweto, die Nicht-Regierungs-Organisation Sindane sowie das Unternehmen Johannesburg Water ihre Positionen vor. Beschwerden, Argumente, Vorwürfe, auch die Androhung von landesweiten Protestdemonstrationen wurden in den Raum geworfen. Die Vertreter der Stadtverwaltung hielten sich weitgehend zurück, fragten nach und stellten Sachzwänge dar. Dennoch wurden Ansätze zu Auswegen und Lösungen angedeutet, und einige Erwiderungen zeigten Verständigungswillen.

Freundlich, aber energisch bemühte sich Frau Z. um die Klärung von Fakten und die Auslotung von Kompromissen. Dabei zeigte sich ein Vorschlag, das Recht auf freien Zugang zu sauberem Wasser besser zu gewährleisten, indem jeder Bürger eine Menge von 50 Liter pro Tag gratis erhält, als aussichtsreichste Lösung. Die Mittel zur Kostendeckung sollen aus dem öffentlichen Haushalt – entweder aus dem Budget oder ggf. aus Steuern – erbracht werden.

In der Praxis würde auf der bereits eingeführten prepaid-Karte für jede Person ein entsprechendes Guthaben gespeichert. Für über die Freimenge hinaus gezapftes Wasser forderten insbesondere die Bürgervertreter/-innen einen fairen Preis. Johannesburg Water zeigte sich bereit, die Kalkulation vor einem begrenzten Kreis offenzulegen und deutete an, die beklagten Preisunterschiede zwischen Kundengruppen in unterschiedlichen Stadtteilen über eine Mischkalkulation auszugleichen.

Der erheblich höhere Investitionsbedarf im Bereich der Abwasserentsorgung („Sanitärversorgung“) wurde angesprochen, jedoch nicht weiter behandelt.


Titelfoto von Kai Hübner.