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Bericht vom Bundestreffen 2016

von Jacob Langeloh

 

[Angewandte Motologie]

Angewandte Motologie

 

 

Wer die Schule verlässt, ist sie lange nicht los. Sie spukt in unseren (Alb)Träumen herum, sie erregt die Gemüter der Experten (denn wir haben sie ja besucht) bis weit ins Erwachsenenleben hinein, sie lädt uns zu Ehemaligentreffen oder vielleicht sogar zum studentischen Zusammensein ein. Schule ist eine besondere Zeit, eine Zeit des Lernens, inhaltlich, formal, sozial.

Beim Bundestreffen wollten wir uns mit dem Lernen auseinandersetzen, nicht nur in der Schule, sondern im Allgemeinen: wie entsteht unser Wissen? Welche Formen davon gibt es? Was lehrt die Geschichte? Was hat Bewegung mit all dem zu tun?

Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Rainer Bromme (Universität Münster) drehte sich um eine rasant wichtiger werdende Form des Lernens: Das Aufnehmen von Informationen im Internet. Es ist schnell getan: Wir hören einen unbekannten Begriff, tippen ihn bei Google ein, klicken uns durch die Resultate und versuchen daraus schlau zu werden. Laut Bromme nutzen wir hier eine besondere Form des Lernens. Wir sind nicht in der Lage, jede einzelne Information selbst nachzuprüfen. Daher müssen wir gelernt haben, diejenigen Experten zu erkennen, denen wir am Ende vertrauen. Diese Fähigkeit werde an der heutigen Schule zu wenig gelehrt. Sie ist fokussiert auf eigenes Wissen, während es in der Welt „da draußen“ sehr häufig auf Vertrauen ankommt. Daher sei es sinnvoll, etwa im naturwissenschaftlichen Unterricht, auch Texte zu lesen und zu bewerten, die gegenläufige Meinungen präsentieren. Gerade diese Ansicht sorgte unter den Zuhörern für Protest. Vehement wurde für einen Chemieunterricht geworben, in dem es noch knallt und stinkt. Was wieder einmal zeigt: Über das Internet lässt sich trefflich diskutieren.

[Friedenssaal]

 

[Modell Osnabrück]

 

 

Die Geschichte ist die Lehrmeisterin des Lebens – sagte Cicero. Was man lernt ist, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt haben – sagte Hegel. Was man in und an Osnabrück lernen kann, das zeigte uns Bürgermeisterin Karin Jabs-Kiesler (Osnabrück). Wir begannen am wohl denkwürdigsten Ort der gesamten Stadt. Im Friedenssaal fand der Konfessionskrieg ein Ende, der Deutschland dreißig Jahre lang verheert hatte. Wir lauschten gespannt im originalen Sitzgebälk, folgten durch die schönsten Hinterhöfe, Klostergänge bis ins Nussbaum-Haus und fanden jede Frage noch ins Letzte beantwortet. Danach war durchatmen und verdauen angesagt, nachdem wir uns gebührend für diesen Ritt bedankt hatten.

Für viele Formen des Lernens ist Lesen und Schreiben der Anfang. „Alphabet – Angst oder Liebe“ hieß daher der kontroverse Film von Erwin Wagenhofer, aus dem wir am Abend Ausschnitte sahen und diskutierten. Vernichtet unser heutiges Bildungssystem – geprägt von Pisa-Studie, Leistungsdruck, Ungerechtigkeit, Gleichmacherei – die Begabung junger Menschen? So lautet die krasse These, die zu spannenden persönlichen Gesprächen führte.

[Lernbegierig]

 

[Festlicher Abend]

 

 

Jeder Gang macht schlank. So geht ein alter Kalauer. Aber macht er auch klug? Kompetent? Selbstbewusst? Die Psychomotorik hat in den 60 Jahren ihrer Geschichte versucht, über Bewegung das Lernen zu fördern. Der gelernte Clown Jonny Kiphard initiierte eine Therapieform, die es Menschen erlaubt, durch die Erfahrung der eigenen Bewegungskompetenz dazuzulernen. Präsentiert wurde dies uns durch den Diplom-Motologen Peter Keßel. Erst theoretisch, dann auf der Wiese: mit Kuh, Stall, Kuhstall und dem großen Schwungtuch. Die Wirkung wurde unmittelbar spürbar, über die Bewegung kam man ins Gespräch, ins Lachen und – vermutlich auch – zum Lernen.

Nach einer übersichtlichen und effizienten Beschlussfassenden Versammlung folgte ein ruhiger festlicher Abend mit vielen Kindern und Gedichten. Am Buffet zeigte sich wieder einmal, dass wir am richtigen Ort waren. Im Haus Ohrbeck wurden wir vortrefflich bekocht, im rasanten Tempo betreut, viele Wünsche wurden uns anstandslos erfüllt oder sogar von den Lippen abgelesen. Wir kommen gerne wieder, freuen uns aber schon auf das nächste Jahr. Dann treibt uns die Frage um, wie man als Christ in der modernen Gesellschaft leben soll. Wir reisen dazu ins Herzland der Reformation, nach Neudietendorf in Thüringen. Bis dann!